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Fliessgewässer-Eutrophierung

FLIESSGEWÄSSER-EUTROPHIERUNG

EIN KOMPLEXES SYSTEM GERÄT AUS DEN FUGEN

Was ist eine Eutrophierung?

Eutrophierung ist die Zunahme der Primärproduktion durch natürliche oder anthropogene Nährstoffzufuhr. Absterbende Biomasse erhöht die Saprobie (leicht unter Sauerstoffverbrauch abbaubare Substanzen im Wasser). Deren Zerfallsprodukte setzen Nährstoffe frei, die wiederum zu einer erhöhten Trophie führen.

Vereinfachend gesagt: Eine Erhöhung der Nährstoffmenge führt zu einem erhöhtem Abbau und weiter zu mehr Zersetzungsprodukten, die wiederum zu mehr Nährstoff (im anaeroben = sauerstoffarmen Bereich) führen. Man kann also von einem Nährstoff-Überangebot sprechen. Dieses führt zu einem stark erhöhten Sauerstoffverbrauch.

Die primären Nährstoffe sind: Stickstoff, Phosphat und Licht.

Was verursacht eine
Eutrophierung?

Es gibt mehrere Ursachen und Möglichkeiten: Die häufigste ist wohl das anthropogene Eintragen von Nährstoffen. Das müssen nicht direkt durch Einleitungen von Siedlungswasser oder Kläranlagen sein; häufig ist es auch belastetes Grundwasser, welches sich unter gedüngten Landwirtschaftsflächen bildet und bei Regen von unten in das Bachbett gedrückt wird.

Des Weiteren ist das Wegfallen einzelner Stufen in der natürlichen Nahrungskette eine bekannte Ursache. Weidegänger, sog. „Grazer“, fehlen um junge Algen abzuschaben.

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Ebenso können sich externe Veränderungen am Gewässer (technischer Wasserbau wie Sohlversiegelung, Stauwerke, die die Fließgeschwindigkeit reduzieren, oder Eingriffe in die Gewässerrandstreifen durch Entfernen der schattenspendenden Gehölze) eine signifikante Rolle spielen.

Häufig sind mehrere Ursachen gleichzeitig verantwortlich (Kausalkette durch Verschieben einzelner Lebensräume). Andere Möglichkeiten können z.B. Erosion landwirtschaftlicher Flächen durch sommerliche Starkregen und temporäre Hochwasser sein.

Hier wird der Klimawandel sicherlich in der nahen Zukunft eine gewichtige Rolle spielen: Früher waren die Hochwässer an den kleinen Flüssen und Bächen der Mittelgebirge ein Spätwinterereignis (Schneeschmelze und gleichzeitiger erster Regen). Aber: Die Felder waren noch nicht gedüngt. Heute haben wir bereits im Sommer durch Starkregen öfter Hochwasserereignisse, wenn die Felder bereits (evtl. sogar mehrmals) gedüngt sind.

Die Vermehrung der „Warmtage“ im Frühjahr und Sommer (teilweise schon im April) führt zu einer geringeren Aufnahmekapazität des Wassers für Sauerstoff – mit der Folge eines drastischen Sauerstoff-Defizites. Hierunter leiden besonders die wichtigen Filtrierer wie Muscheln und Insektenlarven. Auch für Salmoniden kann dieses Sauerstoffdefizit tödlich sein.

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Wie wirkt sich eine
Eutrophierung aus?

Benthos_300x170In einem nährstoffreichen Gewässer wird durch starkes Algen- und Pflanzenwachstum sehr viel Biomasse = organisches Material produziert. Wenn die Algen und Pflanzen absterben, werden sie von Mikroorganismen (Bakterien und Pilzen) zersetzt und so in ihre Bausteine zerlegt. Der mikrobielle Abbau verbraucht Sauerstoff.

Diese Prozesse finden in jedem Gewässer statt. Doch in einem eutrophen Gewässer wird durch den Überfluss an Nährstoffen mehr Biomasse gebildet, deshalb auch mehr Biomasse zersetzt und damit mehr Sauerstoff verbraucht als in einem oligotrophen Gewässer.

Zusätzlich kann das Sonnenlicht in ein eutrophes Gewässer häufig nicht so tief eindringen, da das Wasser aufgrund der vielen Planktonalgen trüb ist. Die Folge ist, dass im Wasserkörper selbst weniger Sauerstoff durch die Photosynthese produziert werden kann.

Da Sauerstoffproduktion lediglich in Oberflächennähe stattfindet, mikrobielle Zersetzung jedoch auf dem Grund des Gewässers, sinkt der Sauerstoffgehalt zunächst in Bodennähe ab. Der Sauerstoffschwund steigt im Gewässer immer weiter nach oben und kann im Extremfall das gesamte Gewässer betreffen. Das Gewässer „kippt um“.

Verschärfend wirkt in diesem Prozess die Temperatur. Zum einen löst sich in warmem Wasser nicht so viel Sauerstoff wie in kaltem Wasser. Das Sauerstoffangebot in wärmerem Wasser ist also allein aus physikalischen Gründen geringer als in kälterem Wasser.

Weitere Auswirkungen:

Das Kieslückensystem in der Gewässersohle – das hyporheische Interstitial – hat eine große biologische Bedeutung: Durch seine gleichmäßige Durchströmung, einer guten Sauerstoffsättigung und einem ausgeglichenen Temperaturhaushalt wird dieses Kieslückensystem von sehr vielen Organismen als Brutstätte benutzt (SCHWOERBEL 1984).

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Setzen sich diese Kieslücken jedoch mit abgestorbenen Algen zu, kann kein Sauerstoff mehr in die unteren Bereiche kommen, da diese nicht mehr ausreichend durchströmt werden; die Artenvielfalt im Makrozoobenthos nimmt rapide ab: Nur noch Arten, die Sauerstoffmangel tolerieren, findet man vor (z.B. Egel). So entstehen Lücken in der Nahrungskette (vor allem für Jungfische). Einige Arten werden dadurch in ihrer Population stark rückläufig – bis zum Verschwinden der Arten aus der Biozönose.

Eine weitere wichtige Auswirkung ist der extreme Anstieg des pH-Wertes! Durch die starke photosynthetische Aktivität beim Algenwachstum wird viel CO2 verbraucht. Dadurch kann der pH-Wert bis auf 10 oder fast 11 ansteigen. Das wiederum hat Auswirkungen auf das Ammonium/Ammoniak-Dissoziationsgleichgewicht. Es kommt zu einer Verschiebung zum fischtoxischen Ammoniak. Diese Verschiebung wird durch erhöhte Wassertemperaturen noch verstärkt. Die Folge ist unter Umständen ein Fischsterben.

 

Wie läuft eine Eutrophierung ab?

Bereits im Februar kommt es durch erste Sonneneinstrahlung zu einer verstärkten Licht- und Wärmeeinstrahlung in die Gewässer. Die noch kahlen Bäume erbringen keine Schattenwirkung. Natürliche Nährstoffe sind ausreichend im Wasser vorhanden.

Es bilden sich am Gewässergrund die ersten Fadenalgen (z.B. Ulothrix zonata). Sie nehmen aus dem Wasser die Nährstoffe Phosphat und Stickstoff auf. Durch die Sonneneinstrahlung kann die Photosynthese beginnen. Als Folge setzt ein starkes Algenwachstum ein (Algenblüte).

Die wiederum entzieht dem Wasser CO2, wodurch der pH-Wert stark ansteigt. Dabei werden Werte bis pH 10 erreicht.

Das hat zur Folge, dass das Phosphat sich in Eisen(III)phosphat und Calciumphosphat umwandelt (man kennt diesen Effekt von der sog. Kalkmilchfällung, die früher in Kläranlagen zur Phosphatfällung eingesetzt wurde: Hier wurde Kalk zur Erhöhung des pH-Wertes eingesetzt um so Phosphat zu fällen und mittels Adsorption auszuflocken), der somit als Feststoff nicht mehr pflanzenverfügbar ist und zu Boden sinkt.

Dieser Effekt lässt die Algen an Phosphatmangel „verhungern“. Das Phosphat ist zwar im Wasser vorhanden, aber nicht mehr pflanzenverfügbar. Es kommt nach einer relativ kurzen Algenblüte zu einem sehr schnellen Algensterben. Dieses Absterben der sessilen Fadenalgen wird durch die hohe Dichte der Algenmatten begünstigt: Es findet eine Eigenbeschattung statt. Damit wird die Photosynthese in großen Pflanzenbereichen unterbunden. Das unter Umständen noch in den Chloroplasten der Algen vorhandene Phosphat kann aufgrund fehlender Photosynthese nicht mehr genutzt werden.

Mit den ersten warmen Tagen kommt es auch zu einer Erhöhung der Wassertemperatur mit der natürlichen Folge einer niedrigeren Kapazität zur Sauerstoffsättigung. Verstärkt wird dieser Faktor durch die noch vorhandenen abgestorbenen Algen: Der Sauerstoffverbrauch durch die mikrobielle Zersetzung der Algen nimmt stark zu. Auch die Strömungsgeschwindigkeit am Benthos verringert sich drastisch, da die vorhandenen abgestorbenen Algenmatten viele tausend Mikrowirbel bilden, so die Strömungsgeschwindigkeit und damit auch den Sauerstofftransport am Gewässergrund sehr stark herabsetzen.

Die Folge davon ist, dass die mitgeführten Sedimente und von der Strömung abgerissene Algenpartikel nicht mehr weitergespült werden, sondern zu Boden sinken und das Kieslückensystem verstopfen (Kolmation).

Das hat ein teilweises Absterben des Makrozoobenthos (MZB) zur Folge, da das Kieslückensystem nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt wird und auch nicht mehr die erforderliche Strömungsgeschwindigkeit für viele Insektenlarven aufweist. Es kommt zu einer Artenverarmung im MZB zugunsten der Arten, die mit wenig Strömung und Sauerstoff leben können. Das sind die Arten, die eine negative Beurteilung der Gewässergüte bedeuten. Es sterben zudem die Arten von Insektenlarven, die als „Grazer“ in der kommenden Vegetationsperiode für ein Abweiden der jungen Algenbestände in Frage kommen würden. Zudem steht damit das Kieslückensystem nicht mehr den Jungfischen als Retentionsraum zur Verfügung.

Ein weiterer Sauerstoff zehrender Aspekt ist die bakteriologische Zersetzung der abgestorbenen Algen: Je 100 g Biomasse Algen werden 140 g gelöster Sauerstoff verbraucht. Das hat in den Sommermonaten drastische Auswirkungen auf alle Lebewesen im Wasser. Hohe Wassertemperaturen gekoppelt mit einem niedrigen Sauerstoffgehalt bringen einen hohen pH-Wert mit sich und begünstigen die Umwandlung von Ammonium zu dem Fischtoxin Ammoniak.

Die möglichen Folgen sind das Sterben der empfindlichen Jungfische, der Fischbrut, bei längerer Dauer von warmen Trockenperioden auch von adulten Fischen. Das führt wiederum zu einer erhöhten Biomasse, die bakteriell zersetzt wird und noch mehr Sauerstoff verbraucht: Das Gewässer „kippt um“.